„Latein ist tot, es lebe Latein!“ Es ist das besondere Verdienst des Münchener Professors Wilfried Stroh über sein populärwissenschaftliches Buch mit diesem Titel hinaus kontinuierlich lebenserhaltende Maßnahmen für die „tote“ Sprache Latein zu ergreifen. Das gelingt dem nunmehr 72-Jährigen über seine wissenschaftliche Arbeit hinaus durch unkonventionelle Auftritte mit Theater und Gesängen, als römischer Priester oder mit Reden gegen Atomkraftwerke – stets in lateinischer Sprache. An seiner Wortgewalt und Rhetorik ließ Stroh auch die Gäste der Ausoniuspreis-Verleihung am 22. Juni an der Universität Trier teilhaben: Mehrere Minuten lang begrüßte er sie in fließendem und äußerst „lebendigen“ Latein.
In seinem Festvortrag an der Universität Trier beleuchtete Prof. Stroh die Rolle, Bedeutung und das Verhältnis von Rhetorik und Philosophie in der antiken Jugendbildung. Konkret stellte er die Frage, ob die Rhetorik in der Antike eine „ars“, also eine Wissenschaft gewesen sei. Stroh widersprach der These Hans von Arnims, der die Philosophie als bedeutendste antike Wissenschaft sieht, von der die Rhetorik an den Rand gedrängt worden sei. Nach Strohs Auffassung hat vielmehr die Rhetorik in der Ausbildung der Jugend eine weitaus bedeutendere Stellung eingenommen als die Philosophie.
Cicero habe erstmals die bis dahin getrennten beiden Disziplinen in Personalunion vereint. Eine Leistung ganz im Sinne des Ausoniuspreisträgers 2012. Stroh bekundete seine Sympathie für den römischen Gelehrten und Politiker mit einem Cicero-Konterfei auf seiner Krawatte. „Mir ist es wichtig zu zeigen, dass beide Disziplinen wichtig sind: Die Philosophie, um zu wissen, was richtig ist und die Rhetorik, um andere zu gewinnen“, schloss Stroh seinen Vortrag, der von Einlagen eines Bläser-Trios des Collegium Musicum eingerahmt wurde.